Vargas, Fred by Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Vargas, Fred by Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Autor:Der untröstliche Witwer von Montparnasse [Montparnasse, Der untröstliche Witwer von]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-03-26T12:42:56+00:00


»Lucien kapiert sehr gut, worum es geht, und außerdem ist er intelligenter als wir beide zusammen. Da brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen.«

»Wenn du es sagst.«

Marc hatte sich beruhigt und besah sich die lange Mauer, die den Friedhof von Montparnasse umschloß.

»Wo gehen wir rein?«

»Über die Mauer.«

»Du bist ein Kletterer. Aber ich hinke. Wo gehen wir rein?«

Marc besah sich die Umgebung.

»Da, die großen Mülltonnen. Damit kommst du rüber.«

»Sehr gute Idee«, bemerkte Louis.

»Gerade die Mülltonnen waren immer eine Idee von Lucien.«

Die beiden Männer warteten, bis sich eine Gruppe von Passanten entfernt hatte, und zogen eine der hohen Tonnen in die Rue Froidevaux.

»Wie kriegen wir raus, ob er da ist?« fragte Marc. »Der Friedhof ist groß. Außerdem hat er zwei Teile.«

»Wenn er da ist, hat er vermutlich Licht brennen. Das suchen wir.«

»Warum warten wir nicht bis morgen?«

»Weil die Zeit drängt und weil es gut ist, wenn wir ihn nachts und allein erwischen und in die Enge treiben können. Nachts sind die Leute schwächer.«

»Nicht alle.«

»Hör auf zu schwätzen, Marc.«

»O. k. Ich helfe dir auf die Mülltonne. Dann klettere ich auf die Mauer und zieh dich zu mir hoch.«

»Sehr gut, also los.«

Marc hatte trotzdem etwas Schwierigkeiten. Kehlweiler wog sechsundachtzig Kilo und war einen Meter neunzig groß. Marc fand das übertrieben und ein bißchen beleidigend.

»Hast du eine Lampe mitgenommen?« fragte Louis etwas atemlos, als sie schließlich beide auf dem Friedhofsgelände standen.

Er war verärgert wegen seines Anzugs. Er hatte Angst, er sei hin.

»Wir brauchen im Moment keine. Man sieht ja alles, hier steht ja kein Baum.«

»Ja, das ist hier auch der jüdische Teil des Friedhofs. Geh langsam zu den Bäumen dort drüben.«

Marc ging lautlos voran. Die Anwesenheit von Louis, der hinter ihm ging, beruhigte ihn. Ihn schüchterte weniger der Ort ein - obwohl er nicht gerade besonders mutig war - als die Vorstellung von diesem Mann, dem ›Schnitter‹, der irgendwo im Dunkeln mit seinem Werkzeug herumlief. Clement hatte eine Art, von ihm zu reden, die einem eine Gänsehaut machte. Er spürte Louis’ Arm, der ihn an der Schulter zurückhielt.

»Da«, flüsterte Louis. »Links.«

Etwa dreißig Meter weiter flackerte ein kleines Licht neben einem Baum. Man sah die Silhouette eines Mannes, der am Fuß des Baumes saß.

»Geh du auf die rechte Seite, ich komme von da«, befahl Louis.

Marc verließ ihn und ging um die Bäume herum. Eine halbe Minute später befanden sich die beiden Männer zu beiden Seiten des ›Schnitters‹. Der Mann sah sie erst in letzter Sekunde und schreckte heftig zusammen, wobei ihm sein Blechteller, aus dem er gerade gegessen hatte, vor die Füße fiel. Er hob ihn mit unsicherer Hand auf, sah dabei abwechselnd auf den einen und auf den anderen Mann und versuchte aufzustehen.

»Bleib sitzen, Thevenin«, sagte Louis und drückte ihm seine breite Hand auf die Schulter.

»Was wollt ihr von mir, verdammte Scheiße?« fragte der Mann mit schleppender Stimme und dem starken Akzent von Nevers.

»Du bist doch Thevenin, oder?« fragte Louis.

»Ja, und?«

»Du schläfst an deiner Arbeitsstätte?«

»Ja, und? Das stört niemanden.«

Louis machte die Lampe an und leuchtete dem Mann ins Gesicht.

»Was ist denn mit euch los, Herrgott?« brüllte Thevenin.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.